Die steigenden Inflationsraten führen zu einem deutlichen Kaufkraftverlust

Die Inflationsentwicklung in Deutschland und der EU hat stark an Dynamik gewonnen. Nachdem die Leitzinsen in Europa (genauer: im Euro-Währungsraum) seit 2011 nicht mehr angehoben wurden, hat es auch die Europäische Zentralbank (EZB) inzwischen eilig, mit deutlichen Zinserhöhungen auf die nunmehr zweistelligen Inflationsraten zu reagieren. Neben den rasant steigenden Energie- und Rohstoffpreisen kommt die EZB zusätzlich durch die Maßnahmen der US-Notenbank Fed unter Druck: seit März wurde der US-Leitzins um mehr als 3% erhöht, um die amerikanische Inflationsdynamik zu bremsen. In der Folge hat der Euro gegenüber dem US-Dollar stark an Wert eingebüßt. Dies führt zu weiteren Preissteigerungen in Europa, da die Importe von Rohstoffen in US-Dollar bezahlt werden und dadurch zusätzlichen Druck auf die Produzentenpreise erzeugen. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex für Deutschland ist gegenüber dem Vorjahr um 11,6% gestiegen.

Leistungsverbesserungen hängen vom Finanzierungsverfahren ab

Kein Altersvorsorgesystem kann hohe Inflationsraten ausgleichen. Das Versorgungswerk hat als rein kapitalgedeckte Altersvorsorgeeinrichtung einen Versorgungsauftrag, der sich kalkulatorisch am langfristigen Kapitalmarkt orientiert. Hierzu gehört es auch, eine angemessene Risikovorsorge zu betreiben.

Das Finanzierungsverfahren des Versorgungswerks beruht allerdings auf der Kapitaldeckung nach dem individuellen Äquivalenzprinzip von Beitrag und Leistung. Darin liegt seine große Stärke Vergleich zu umlagefinanzierten Systemen: jede höhere Beitragszahlung während des Berufslebens führt – auf Basis versicherungsmathematischer Annahmen – zu einer höheren Rentenanwartschaft.

Unterstellt man, dass hohe Inflationsraten während des Erwerbslebens zu einer positiven Lohnentwicklung und damit höheren Rentenbeiträgen führen, dann erfolgt während der Anwartschaftsphase eine durchschnittliche Abbildung der Inflationsentwicklung durch die Beitrags-Leistungs-Äquivalenz. In normalen Zeiten spiegelt der Kapitalmarktzins zudem die Inflationserwartungen des Kapitalmarktes. Die Notenbanken haben durch die lange Phase niedriger Zinsen diesen Mechanismus außer Kraft gesetzt. Ob die aktuelle Trendwende eine neue Ära höherer Zinsen einläutet, bleibt abzuwarten.

Kapitaldeckung muss die Kapitalmarktverhältnisse abbilden

Dies betrifft insbesondere den Kapitalmarktzins, von dem die Höhe der kalkulatorischen Rechnungsgrundlagen maßgeblich abhängt. Die Verrentungssätze gemäß § 30 der Satzung des Versorgungswerks, nach denen die Rentenanwartschaften gebildet werden, beinhalten eine kalkulatorische Verzinsungsannahme der Beiträge von aktuell 2,5%. Langfristig führen Überschüsse aus der Kapitalanlage zu einer Erhöhung der Verzinsung und ermöglichen eine Erhöhung der Anwartschaften. Mittelfristig müssen jedoch die bereits erworbenen Anwartschaften, die noch auf Basis höherer kalkulatorischer Rechnungsgrundlagen erworben wurden, ebenfalls an die Kapitalmarktrealität bzw. an das langfristige Kapitalmarktzinsniveau angepasst werden.

Aus Gründen der Generationengerechtigkeit innerhalb des Versichertenkollektivs verfolgt das VwdA hierbei einen sozialverträglichen Anpassungsmechanismus. Die Anpassung der bestehenden Anwartschaften erfolgt durch Verzicht auf mögliche Leistungsverbesserungen, d.h. die Überschüsse aus der Kapitalanlage und der Versicherungstechnik werden für entsprechende Nachfinanzierungen der Deckungsrückstellung verwendet.

Da diese jeweils hohe finanzielle Mittel erfordern – es geht im Einzelfall um sehr lange Verzinsungszeiträume – kann dies nur in graduellen Schritten erfolgen.

Es bleibt festzustellen, dass in einem Kapitaldeckungsverfahren hohe Verzinsungsannahmen die kalkulatorische Grundlage bilden und attraktive Rentenniveaus bieten.

Darüberhinausgehende Überschüsse erhöhen die Anwartschaften sowohl während des Berufslebens, wie auch in der Rentenbezugszeit zusätzlich. Die aktuelle Rentner:innengeneration hat davon in der Vergangenheit stark profitiert und Anwartschaften weit oberhalb der Verzinsungsannahmen erreicht. Auch im Vergleich zu anderen Systemen wurden beispiellos hohe Rentenanwartschaften gebildet.

Ein vollständiger Inflationsausgleich kann aufgrund der attraktiven Verzinsungsannahme und den Überschussbeteiligungen bereits während des Berufslebens weder in der Vergangenheit noch in Zukunft geleistet werden. Dadurch, dass Überschussbeteiligungen während des Erwerbslebens über den Zinseszinseffekt zu langfristigen Verpflichtungen für das Versorgungswerk in Form höherer Rentenanwartschaften führen, erhöhen diese Renditeanforderungen gleichzeitig die Schwelle für künftige Überschüsse.

Positiv wirkt dabei, dass sämtliche erwirtschaftete Renditen ausschließlich den Teilnehmer:innen zu Gute kommen, da das Versorgungswerk keine weiteren Anspruchsgruppen, wie bspw. Aktionäre, bedienen muss. Es wurde vom Berufsstand für den Berufsstand etabliert.

Sozialverträglicher Anpassungsmechanismus an die Niedrigzinsphase

Sämtliche gemäß § 30 der Satzung des Versorgungswerks erworbenen Rentenanwartschaften müssen zum Bilanzstichtag ebenfalls mit einer Verzinsungsannahme, dem sogenannten Bilanzierungszins (aktuell in Höhe von 3,75%), bewertet werden und sind als Deckungsrückstellung durch das mindestens gleich hohe Sicherungsvermögen zu decken. Historisch waren sowohl der Verrentungszins wie auch der Bilanzierungszins mit jeweils 4% gleich hoch. Der bei Gründung des Versorgungswerks festgelegte Bilanzierungszins wurde von der Vertreterversammlung in bisher zwei Schritten gesenkt: zuletzt beschloss die Vertreterversammlung im Mai 2022 eine Absenkung von 3,85% auf 3,75%. Die hierfür benötigte Nachreservierung der Deckungsrückstellung in Höhe von 103,2 Mio. Euro konnte aus dem Jahresergebnis 2021 finanziert werden, die Rücklage für schwankenden Bedarf wurde zusätzlich um 24,8 Mio. Euro erhöht.

Für Beiträge ab 01.01.2020 wurde der Verrentungszins auf 2,5% abgesenkt und damit künftige gebildete Rentenanwartschaften an die Kapitalmarktsituation angepasst.

Nur Renditen, die nachhaltig über dem Bilanzierungszins von derzeit 3,75% liegen, können in Form von Leistungsanhebungen an die Teilnehmer:innen des Versorgungswerks weitergegeben werden. Liegt das Kapitalmarktzinsniveau wie in der zurückliegenden Dekade deutlich unterhalb dieser Verzinsungsannahme, so sind die bereits erworbenen Anwartschaften zunächst an das langfristige Kapitalmarktzinsniveau anzupassen, da deren Finanzierung über die komplette Anwartschafts- und Rentenbezugszeit sichergestellt sein muss, bevor Überschüsse zu Leistungsanhebungen führen können.

Da man bereits erworbene Rentenanwartschaften aus sozialen Gründen trotz der Niedrigzinsphase jedoch nicht einfach rückwirkend kürzen und an das heutige Kapitalmarktzinsniveau anpassen konnte, erfolgt die erforderliche Nachfinanzierung nun durch die entsprechende Verwendung der Überschüsse. Dabei werden die Bestandsanwartschaften durch Nachfinanzierungen über die Zeit so gestellt, als wären sie zu einem niedrigeren Rechnungszins erworben worden. Um dieselbe Anwartschaftshöhe bei geringerem Zins zu erreichen wären in der Vergangenheit allerdings höhere Beiträge zu entrichten gewesen. Diese in der Vergangenheit nicht geleisteten Beiträge können deshalb nur aus Überschüssen finanziert werden. Angesichts des niedrigen Zinsniveaus der vergangenen Dekade und des aktuell krisenbehafteten und schwierigen Kapitalmarktumfelds stellt dieses Nachfinanzierungserfordernis eine hohe Bürde dar, die das Versorgungswerk durch seine wirtschaftliche Stärke trotz der Krisenhäufung an den Kapitalmärkten bislang tragen konnte.

Noch befindet sich das Versorgungswerk in dieser Anpassungsphase. Die Anpassung an die Kapitalmarktrealität kann nur graduell erfolgen und erfordert deshalb Zeit.

Die weitere Absenkung des Bilanzierungszinses ist jedoch eine Notwendigkeit für die Sicherstellung der langfristigen Finanzierbarkeit der Rentenanwartschaften, da die langfristigen Kapitalmarktzinsen nach heutiger Einschätzung auch weiterhin langfristig unter 3,75% liegen werden. Steigen hingegen auch die langfristigen Kapitalmarktzinsen nachhaltig, muss die Situation neu bewertet werden.

Fazit:

Jede Absenkung unseres Bilanzierungszinses führt zu hohen Nachreservierungen der Deckungsrückstellung, die nur aus Überschüssen finanziert werden können. Diese können während der notwendigen Anpassungsphase nicht zur weiteren Erhöhung der Renten eingesetzt werden, sondern werden dazu gebraucht, sozialverträglich die kalkulatorischen Rechnungsgrundlagen an die Kapitalmarktrealität rückwirkend anzupassen.

Das Postulat der Generationengerechtigkeit innerhalb einer Solidargemeinschaft verlangt einen Interessenausgleich über die Zeit. Neue Rentenanwartschaften werden deshalb zu einem Verrentungszins erworben, der an das niedrigere durchschnittliche Kapitalmarktzinsniveau durch Herabsetzung auf 2,5% angeglichen wurde. Nach erfolgter Anpassung an das langfristige Kapitalmarktzinsniveau wird bei der Verteilung künftiger Überschüsse hier aus Gründen der Generationengerechtigkeit vorrangig angesetzt werden, um Nachteile gegenüber Anwartschaften auszugleichen, die zu einem höheren Zins erworben wurden.

Wirkung des Zinsanstiegs auf die Kapitalanlagen der Versorgungswerke

Der Anstieg des Kapitalmarktzinsniveaus führt dazu, dass zwar in neu emittierte Zinspapiere mit höherem Zins investiert werden kann, sich jedoch gleichzeitig die Kurse von Bestandspapieren in Abhängigkeit von Zinshöhe und Restlaufzeit stark in ihrer Bewertung verringerten. Die aktuellen Bewertungsabschläge sind als größter Crash an den Rentenmärkten in der Nachkriegsgeschichte zu sehen und haben damit eine historische Dimension. Dies hat naturgemäß Auswirkungen auf die Ertragslage und die kurzfristigen Handlungsspielräume.

Da der Kapitalmarktzins die relativen Preise aller Kapitalanlagen untereinander bestimmt, verändern sich zusätzlich auch die Preisrelationen von Immobilieninvestments, Aktien und anderen Assetklassen untereinander. Es drohen auch hier Bewertungsrückgänge durch den Zinsanstieg.

Die Rechnungslegungsvorschriften stellen hier das Vorsichtsprinzip in den Vordergrund: nur bei Neuanlagen kann von dem höheren Zinsniveau profitiert werden.

Nach zwei Dekaden an Niedrig- bzw. Negativzinsen ergeben sich damit zunächst keine Spielräume, für höhere Leistungen. Das steigende Zinsniveau erhöht erst im Zeitablauf den Durchschnittszins im Gesamtbestand der festverzinslichen Wertpapiere graduell. Noch deuten viele Faktoren darauf hin, dass das langfristige Zinsniveau voraussichtlich weiterhin unterhalb der kalkulatorischen Rechnungsannahmen verharren wird.

Sind Rentner:innen beim Versorgungswerk gegenüber der Deutschen Rentenversicherung (DRV) benachteiligt?

Umlagefinanzierte Systeme wie die DRV gewähren keine unmittelbare Äquivalenz von Beitrag und Leistung. Die Leistungsentwicklung bei der DRV ist an die Lohn- und Gehaltsentwicklung gekoppelt. Das Beitragsniveau in der Sozialversicherung steigt jedoch tendenziell stets weiter an, ohne dass sich die Rentenanwartschaften bei der DRV und anderen nicht-kapitalgedeckten Systemen (mit Koppelung an die Beitragsbemessungsgrenze) äquivalent erhöhen.

Das bedeutet für die DRV: für zunächst gleichbleibende Renten ist bei steigendem Beitragsniveau erst einmal ein höherer Beitrag zu entrichten. Dies muss durch Rentenerhöhungen möglichst ausgeglichen werden. Dies ist nicht mit einem Erhalt der Kaufkraft gleichzusetzen und führte in der Vergangenheit zu deutlich geringeren Rentenanwartschaften wie in kapitalgedeckten Systemen, allerdings verbunden mit höheren Steigerungsraten in der Rentenbezugszeit.

Auch für die junge Generation der aktuell Erwerbstätigen und Berufseinsteiger:innen wird sich dies über die Anwartschaftszeit auszahlen. Die Ära der Null- und Negativzinsen ist wahrscheinlich passé und die langfristigen Kapitalmarktrenditen ermöglichen mittel-bis langfristig wieder attraktivere Renditen. Wenn Selbständige einkommensgerechte Beiträge an das Versorgungswerk entrichten (wie es Angestellte automatisch tun), wirkt sich dies bei steigenden Einkommen ebenfalls unmittelbar auf die Höhe der Rentenanwartschaft aus.

Fakt ist jedoch: Rentner:innen in allen Altersvorsorge-Systemen sind derzeit besonders von einem massiven Kaufkraftverlust betroffen. Auch wer privat nicht zusätzlich vorsorgt bzw. vorsorgen kann ist im Alter zusätzlich mit einer Versorgungslücke konfrontiert. Daran kann das Versorgungswerk trotz der Streuung der Kapitalanlagen auch in Vermögensgegenstände, die Renditen oberhalb der durchschnittlichen Inflationsrate generieren, nichts ändern. Die Versorgungswerke erhalten auch keinerlei staatliche Zuschüsse im Gegensatz zur Deutschen Rentenversicherung. Eine solide Finanzierung und ein Interessenausgleich der Generationen innerhalb der Solidargemeinschaft des Berufsstandes sind damit umso wichtiger.